Umgang mit dem „brotlosen Künstler“

Wenn du dich mit Kunst selbstständig machen willst oder vielleicht bereits Künstler bist, dann wirst du – je nach Umfeld – häufig mit der Leier vom „brotlosen Künstler“ konfrontiert sein.
Wenn du nicht extrem abgebrüht bist und die Sache nicht an dir abprallen lassen kannst, dann wirst du dich zwangsläufig irgendwann ausgiebiger mit dieser Thematik beschäftigen müssen, um deinen Weg damit zu finden.

Woher kommt dieser dumme Spruch „brotlose Kunst“ eigentlich?

Fakt ist, es gibt sogar einen kurzen Wikipedia-Artikel zu diesem Spruch. Ich zitiere einen wichtigen Satz daraus: „All dem zu Grunde liegt die sich über die Jahrhunderte ziehende Kluft zwischen der Kunst als Ausdrucksform des Schönen, die ihre Rechtfertigung in sich findet, und dem Kunstbegriff, der seine Motivation auch aus der Sicherung des Lebensunterhalts eines Künstlers bezieht.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Brotlose_Kunst)

Es geht mir hier aber nicht darum den geschichtlichen Hintergrund dieses Spruchs zu erörtern, sondern vielmehr darum dich darin zu ermutigen genauer über diesen Satz nachzudenken.
Denn wenn dich das Thema nicht vollkommen kalt lässt, dann solltest du unbedingt eine Strategie entwickeln, wie du damit klarkommen kannst. Denn eins steht fest: Sprüche dieser Art verschwinden nicht einfach. Die Menschen hören nicht von heute auf morgen damit auf so zu denken.

Der „brotlose Künstler“ ist ein festgefahrenes Konstrukt

Das Bild des „brotlosen Künstlers“ ist ein Konstrukt. Es ist ein Stereotyp, an den viele Menschen glauben, weil es in unserer Gesellschaft immer und immer wieder bestätigt wird.
Schauen wir in die Geschichte: es ist meist vom armen Künstler die Rede, der zwar seinen Träumen nachging, aber oftmals kaum über die Runden kam. Wenn sie/er überhaupt bekannt wurde, dann oft posthum.
Wenn irgendwo von Kunst gesprochen oder geschrieben wird, dann fällt früher oder später der Satz, dass es hart sei von Kunst zu leben.
Selbst wir Künstler tragen unbewusst unseren Teil dazu bei. Ein solcher Satz („es ist hart von Kunst zu leben“) mag vielleicht anders gemeint sein und Herausforderungen im Allgemeinen meinen, aber beim Rezipienten – der in den meisten Fällen nichts von Kunst versteht – kommt nur eins herüber: dieser Künstler kommt nur schwer über die Runden. Wo wir wieder beim „brotlosen Künstler“ wären.
Die Medien zeichnen häufig kein differenziertes Bild. Da sind auf der einen Seite die berühmten Künstler, Schauspieler und Musiker, die ein internationales Konzert nach dem nächsten spielen und auf der anderen Seite die Dokumentationen von den „Kleinen“, die oftmals die Kunst nur nebenbei machen, weil sie davon allein nicht leben können. Wer ist nahbarer? Wenn du nun auf einen Künstler triffst, vermutest du dann dass er dann eher zur ersten Kategorie (reich, berühmt) oder zur zweiten Kategorie (armer Schlucker) gehört?

Diskrepanz zwischen weltbekanntem Künstler und unbekannten Künstler

Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass sie jemals auf einen solch prominenten Künstler treffen würden. Der ist so weit weg, dass sein Ruhm für uns Normalsterbliche unerreichbar sein muss. Wirklich?
An dieser Stelle sage ich nur „the sky is the limit!“ Wenn wir die Grenzen in unserem Kopf überwinden können, dann erst sind wir im Stande alle Möglichkeiten zu sehen und auszuschöpfen. So viele Dinge im Leben scheitern, nicht weil sie schlecht waren, sondern weil sie nie versucht wurden.
Es gibt so viele verschiedene Künstler. Die Bandbreite reicht vom reichen VIP bis zum Hobbykünstler. Das „dazwischen“ ist eine riesige Palette an den verschiedensten Formen und natürlich auch Gehaltsklassen. Übrigens so wie in jeder anderen Branche auch. Gerade wenn wir die „kommerzialisierte Kunst“ bzw. Berufskunst betrachten. Die Medien stürzen sich aber häufig auf die Ausreißer und zeichnen nur selten dieses facettenreiche Bild von der künstlerischen Profession.

Die meisten Menschen verstehen Kunst nicht

Insofern ist es schlichtes Unwissen, welches Menschen zu dem Glauben an den „brotlosen Künstler“ bringt.
Die meisten Menschen haben keine Vorstellung davon, welche Bedeutung Kunst hat. Und dabei spreche ich nicht nur davon, was diese Kunst dem Künstler bedeutet, sondern meine die Bedeutung welche Kunst für unsere Gesellschaft hat.
Die Geringschätzung, welche sich hinter dem Bild des „brotlosen Künstlers“ verbirgt, ist meines Erachtens ein Symptom für das Selbstverständnis einer verfügbaren Kulturlandschaft. Wir – als Gesellschaft – erachten die Kultur mit all ihren bunten Akteuren als selbstverständlich. Kunst ist so allgegenwärtig, dass sie schon wieder unsichtbar geworden ist für den Menschen, der sie täglich genießen kann.
Die Corona-Pandemie gab diesbezüglich immerhin einen kleinen Einblick, wie es ist, wenn diese Kunst und Kultur plötzlich nicht mehr verfügbar ist. Ich habe die Hoffnung, dass zumindest der ein oder andere nun ein bisschen mehr Wertschätzung aufbringen kann.

Das Verhältnis zu Geld

Künstler haben häufig kein Problem damit zum Ausdruck zu bringen, dass sie kein Vermögen verdienen. Das hat damit zu tun, dass ihr Verhältnis zu Geld sich von der weitverbreiteten kapitalistischen Betrachtungsweise unterscheidet.
Anders könnte ich auch sagen, dass Künstler einen sehr bodenständigen und gesunden Bezug zu Geld haben. Gerade weil es ihnen nicht so wichtig ist und ihre Priorität auf der Sache (= Kunst) liegt.
Geld mit Kunst zu verdienen ist somit ein netter Nebeneffekt. Das Geld ist hier das Tauschmittel, um die künstlerische Arbeit entgegenzurechnen. Das Geld ist aber nicht die Priorität.
In diesem Kontext hast du vielleicht schon einmal den Satz „ich arbeite nicht für Geld“ gehört. Natürlich lässt sich dieser diskutieren. Du kannst auch komplett anderer Meinung sein. Doch viele Künstler drücken mit diesem Satz aus, dass ihre Motivation morgens aufzustehen und ihrem künstlerischen Schaffen nachzugehen nicht darin besteht, möglichst viel Geld anzuhäufen und/oder sich tolle Dinge davon leisten zu können. Vielmehr besteht ihre Motivation darin, Menschen etwas Geben zu wollen. Einen Gedanken, ein Gefühl, einen Impuls, Inspiration… oder oder oder.

Die intrinsische Motivation

Diese Motivationen sind vielfältig und für jeden Künstler individuell. Mit Sicherheit gibt es auch Künstler, die ihre Finanzen sehr genau im Blick haben und/oder danach Streben sich mit ihrer Kunst ein Vermögen anzuhäufen. Wir erinnern uns: die Bandbreite ist groß. Und das Eine (Prio: Kunst) schließt das Andere (Geld damit verdienen) nicht aus.
Würdest du einem profitorientierten Künstler „brotlose Kunst“ vorwerfen? Vermutlich nicht. Vor allem dann nicht, wenn sein Verhältnis zu Geld deinem ähnelt.
In einer Welt, in der Erfolg nur an wirtschaftlichen Verhältnissen gemessen wird, ist es extrem schwer die- oder derjenige zu sein, der weniger (auf dem Konto!) hat und/oder keinen Wert auf Statussymbole legt.
Denn wenn der einzige Parameter für Erfolg viel Geld ist, welches über diverse Statussymbole zur Schau gestellt wird, dann wirst du immer die/der brotlose Künstler/in für dein Gegenüber bleiben. („Was du nicht zeigst, hast du nicht.“) Dabei spielt es gar keine Rolle wie erfolgreich und frei du in allen anderen Bereichen sein magst.

Was ist Erfolg?

Erfolg ist eine persönliche Definitionsfrage. Doch gesellschaftlicher Status Quo ist auch, dass Erfolg mit einem bestimmten „Lebensstandard“ einhergeht.

Das äußert sich dann in Aussagen, welche wie folgt aussehen können:

  • Du musst doch abgesichert sein!
  • Davon kannst du doch auf gar keinen Fall leben!
  • Wie willst du dir denn XYZ leisten können?
  • Von Irgendwas musst du doch leben!

Und die logische Schlussfolgerung von Menschen mit diesen Denkmustern ist, dass du einen „ordentlichen Job“ brauchst, damit du dir deine Brötchen und noch mehr leisten kannst. Dabei rückt vollkommen in den Hintergrund was für eine Art von Job dies sein soll. Am besten einer, der möglichst viel Geld bringt. Vollkommen egal was für ein Job. Die Priorität (deines Gegenübers) liegt schließlich darin Geld zu verdienen, um den Lebensunterhalt finanzieren zu können und sich schöne Dinge leisten zu können (Stichwort: Konsum, Bedürfnisbefriedigung).

Verständnislosigkeit macht Künstler kirre

Als Mensch, der sich wahrscheinlich aus materiellen Dingen nichts macht und seine Zeit lieber mit erfüllenden Tätigkeiten (Kunst) verbringen möchte, rollen sich dir natürlich wahrscheinlich spätestens hier die Zehennägel. Logisch. Dieses Unverständnis ist nur schwer zu ertragen. Vor allem, wenn es auch noch aus den Reihen kommt, die dir wichtig sind.
Es bringt Künstler/-innen regelmäßig an den Rand der Verzweiflung, wenn sie von ihrem Umfeld statt Halt und Bestärkung nur Verständnislosigkeit, Geringschätzung und (indirekte oder direkte) Ablehnung erfahren.
Solche Erfahrungen sind extrem schmerzhaft und das Schlimme: auf Dauer machen sie kreative Menschen kaputt. Viele Zweifel und Unsicherheiten resultieren nicht aus den eigenen Unzulänglichkeiten, sondern sind die Grenzen (Limitierungen) von außen. Aussagen, wie oben beschrieben werden zu Denkmustern und Glaubenssätzen. Sie boykottieren das eigene Schaffen und Sein.
Gerade Künstler definieren sich mit und über ihre Kunst. Wenn Jemand diese belächelt, dann trifft es sie doppelt. Nicht selten wird die komplette Persönlichkeit hinterfragt. Im schlimmsten Fall glauben wir dann selbst, dass wir unfähig seien etwas zu erreichen und dem Titel der „brotlosen Künstler“ damit gerecht würden.

Trenne dich von der Meinung anderer und entwickle deine eigene Haltung

Spätestens hier sollten wir uns folgende Frage stellen:
Will ich meinen Weg wirklich von der Meinung anderer abhängig machen?

Gerade deshalb ist es so wichtig sich intensiv damit auseinanderzusetzen und für sich persönlich folgendes aufzudröseln:

  • Wo stehe ich aktuell?
  • Was glaube ich selbst?
  • Wieso „triggert“ mich die Thematik?
  • Was genau stört mich an solchen Aussagen? Und warum?
  • Wo sind meine Schmerzpunkte?

Im zweiten Schritt kannst du dann eine Strategie entwickeln, wie du besser mit solchen Aussagen klarkommst. Ein sachlicher, unaufgeregter Umgang wird dir helfen, dich nicht verunsichern zu lassen.

Die emotionale Keule

Das Bild des „brotlosen Künstlers“ ist ein Ressentiment. Es ist meist emotional aufgeladen.
Menschen, die solche Aussagen von sich geben sind entweder unwissend, geringschätzend, ignorant und/oder haben in den meisten Fällen genug eigene Baustellen, welche sie vielleicht sogar ursächlich zu solchen Aussagen bringen. Vielleicht blicken sie auf eigene geplatzte Träume oder unerfüllte Wünsche zurück, welche sie dazu bringen deine Wünsche sabotieren zu wollen. Ich sage gar nicht, dass dies bewusst geschehen muss. Möglicherweise ist dies auch einfach nur eine unbewusste Geschichte. (Ich lasse das bewusst als Theorie stehen).

Manchmal kommen solche Aussagen sogar von Menschen, die uns sehr nah stehen. In einem „mach doch lieber etwas Ordentliches, statt Kunst“ kann auch Besorgnis stecken. Die Aussage spiegelt (wenn auch unelegant ausgedrückt) den Wunsch des Gegenübers wider, dich abgesichert zu sehen. Das ist nicht böse gemeint.
Es ist eindimensional. Denn das Gegenüber setzt seine eigenen Maßstäbe an. Es geht von seiner eigenen Vorstellung von Absicherung und Sicherheit aus. Und damit wird es übergriffig. Denn deine eigenen Wertvorstellungen finden in dieser Vorstellung keinerlei Beachtung. Du wirst aus deinem eigenen Lebensmodell ausgeklammert bzw. stehst allein damit. Das ist natürlich erstmal ein harter Brocken.

Leider haben Menschen in emotionalen Diskussionen die blöde Eigenart, dass sie ihre Fähigkeit verlieren sachlich und logisch an Tatsachen heranzugehen. Statt sich in Toleranz und Verständnis zu üben, möchten sie lieber ihre eigene Realität bestätigt sehen.

Fazit
Den Kampf gegen emotionale, festgefahrene Denkmuster wirst du nicht gewinnen.
Du wirst diese Tatsache nicht ändern können. Aber wie bei so vielem im Leben gilt: du kannst dich und deine Einstellung zu dieser Sache ändern. Du kannst daran arbeiten, die Sache nicht mehr zu nah an dich heranzulassen, damit sie dich nicht mehr verletzen kann.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel zumindest einen Impuls dafür setzen konnte.
Wenn du weitere Anregungen zu diesem Thema hast, dann lass es mich gern wissen.

Und wenn du immer noch nicht genug hast und dich interessiert wie andere Künstler den „brotlosen Künstler“ hinter sich gelassen haben, dann lies gern den Beitrag meiner besseren Hälfte dazu.
Martin als Musiker hat einen tollen eigenen Blickwinkel entwickelt.
Du findest seinen Artikel hier:  „das widersprüchliche Argument des brotlosen Künstlers„.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert