Straßenmusikfestival Ludwigsburg ’23 (Anfälle³)

Internationales Straßenmusikfestival Ludwigsburg (SMF) – große Sause auf Kosten der Künstler

3 Tage Festivalstimmung, Bühnen über den gesamten „Blühenden Barock“ verteilt, schönstes Sommerwetter und ein satter Eintrittspreis von 15 € pro Tag (18-23 Uhr) versprechen den Besuchern ein tolles, alljährliches Erlebnis. Auf den sozialen Medien wird rund um die Uhr geworben, immer wieder wird darauf hingewiesen, dass noch Tickets erhältlich sind. Die Werbetrommeln werden bis Ultimo gerührt, damit auch der Letzte in Stuttgart mitbekommt, dass an diesem Wochenende in Ludwigsburg ordentlich was abgeht. Die Besucher werden auf Instagram nochmal daran erinnert, dass die Künstler sich über „ein kleines Hutgeld“ freuen, weil sie alle ohne Gage spielen. Ein auftretender Musiker wendet ein, dass man mit Münzen zum Kaffeeautomaten gehe und sich die Künstler durchaus über ein paar Scheine freuen würden – zumal die meisten von ihnen hauptberufliche Straßenmusiker sind.

„Was ist denn da los?“, fragen sich Besucher, die vor den Bühnen zum ersten Mal hören, dass die Künstler offensichtlich von ihren Eintrittsgeldern nichts abbekommen. Bei 15 € / Person und insgesamt 25.000 zu erwartenden Besuchern wird doch wohl Geld für die Akteure übrig sein?

„Wie, Eintrittsgeld?“, fragen sich die Künstlerinnen und Künstler, von denen ebenfalls viele erst vor Ort erfahren, dass es sich bei diesem „Straßenmusikfestival“ um eine Bezahl-Veranstaltung handelt. Sie sind davon ausgegangen, dass der Eintritt frei sei, so wie dies bei Straßenmusik üblich ist.

„Die Künstler bekommen eine Aufwandsentschädigung“ heißt es vonseiten der Orga. Stimmt. Es gibt einen Hunni pro Künstler, welcher bei Vielen der internationalen Künstler nicht mal die Fahrtkosten abdeckt. Dazu gibt es pro Tag 10 € an Essensmarken, von denen das Wechselgeld nicht ausgezahlt wird. Ein einfaches Gericht kostet etwa 8 €. Als Unterkunft dient eine Jugendherberge, die sich etwa 15 km vom Blühenden Barock entfernt befindet. Immerhin wurden Shuttlebusse organisiert.

Die Künstler ziehen ihr Equipment auf Sackkarren und Rollwägen über das Gelände von einer Bühne zur nächsten. Für den Auf- und Abbau sind genau 5 min. eingeplant, es gibt keinen richtigen Soundcheck, der Rest geht von der Spielzeit ab. Jeder Künstler hat max. 30 min Auftrittszeit. Kurzum: es ist extrem stressig. Die Technik an den unterschiedlichen Bühnen ist von wechselnder Qualität. Mal hast du Glück, weil dort jemand hinter den Reglern sitzt, der Ahnung hat. Mal hast du Pech, weil der „Ton-Techniker“ einfach keinen Plan hat. Selbst auf der Hauptbühne läuft es nicht professioneller ab.

Den Besuchern fällt die abgehetzte Stimmung negativ auf. So stellt man sich ein Festivalwochenende nicht vor. Weder als Besucher noch als Künstler.

Am Ende der Veranstaltung gibt es einen Feedback-Bogen für jeden Künstler.  „Würdest du nächstes Jahr wieder mitmachen?“ lautet eine der Abschlussfragen. Hm. Ich bin mir sicher, bei einigen Künstlern wird die Antwort nicht so positiv ausfallen. Allenfalls vielleicht die prämierten Sieger. An jeder Bühne gab es Holzkästen, in die Stimmzettel geworfen werden konnten. So konnten die Besucher für ihre Lieblinge voten. Jeder Künstler hatte dafür eine Startnummer erhalten. Auch online konnte man voten. Zumindest war das der Plan. Leider versagte allerdings bereits ab dem ersten Abend die Online-Voting-Funktion, weil der Server überlastet war…

Für die drei ersten Plätze gibt es immerhin einen Geldpreis, welcher einer Gage nahekommt. Die restlichen Künstlerinnen und Künstler schaffen es bedauerlicherweise nicht einmal aufs Abschlussfoto, weil ihnen gar nicht mitgeteilt wurde, dass sie zur Abschlussveranstaltung an der Hauptbühne kommen sollten. Also feierten Orga und Sieger für sich, während der Rest das Equipment ein letztes Mal in die Shuttlebusse lud.

[Woher weiß ich das alles so genau? Vom 26.-28.05.23 habe ich @blu12 auf dem SMF als Crewmitglied begleitet und war selbst – Backstage – vor Ort.]

 


Danke für’s Lesen! Das ist meine neue Kolumne und Rant-Ecke: Anfälle³. Hier lasse ich meinem Unmut über den gesellschaftlichen Irrsinn freien Lauf, kritisiere oder kommentiere Dinge, die mir nicht passen.  Stets mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen.

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