Kann man noch von Kunst leben?

Macht es überhaupt noch Sinn sich als Künstler selbstständig zu machen?

Harte Zeiten bringen viele Zweifel mit sich. Es verwundert also nicht, dass auch Künstler (bzw. welche die es gerne sein würden) sich zunehmend mehr Gedanken darüber machen, ob sie noch von Kunst leben können und es sich für sie (finanziell) lohnen wird so viel Zeit und Arbeit hinein zu investieren. Denn gerade wenn die Kunst als Haupterwerb und Existenzsicherung dienen soll, ist das Risiko groß.

Doch das Thema „als Künstler Geld verdienen“ ist komplex und zugleich nur eine winzig kleine Komponente eines großen Ganzen. Was mich an obigen Fragestellungen häufig stört – auch wenn sie natürlich noch so legitim sind – ist die Tatsache, dass sie ausschließlich kapitalistischen Maßstäben unterliegen. Man stelle sich vor, dass jeder Mensch z.B. Bedingungsloses Grundeinkommen zur Verfügung hätte, dann würde niemand mehr Fragen wie oben stellen. Dann würde es wieder mehr um die eigentliche Sache gehen. Wenn ich mich als Künstler berufen fühle und mein Herz für künstlerische Tätigkeiten schlägt, dann stellen sich ohnehin viele Fragen. Leider ist aber das liebe Geld dafür verantwortlich, dass immer mehr Menschen gezwungen sind nur noch die finanzielle Komponente zu betrachten. Zumindest, wenn sie ihre Kunst hauptberuflich ausüben – und davon leben wollen. Das Thema „Geld mit XY verdienen“ ist für viele die Hauptpriorität und entscheidet oftmals darüber, ob sie sich einer Sache widmen oder nicht.

Doch gibt es auch andere Optionen. In der aktuellen Zeit würde ich als hauptberufliche Berufskünstlerin davon abraten, die Kunst als Haupterwerb etablieren zu wollen. Während fast alle Kosten um uns herum steigen, wird es aktuell schwer sein entsprechend existenzsichernde Erträge zu erwirtschaften. Ein anderer Grund ist, dass die Monetarisierung von Kunst immer auch Spuren hinterlässt. Mit seiner Kunst Geld verdienen zu müssen, wird auf lange Sicht den künstlerischen Schaffensprozess kompromittieren. Der enorme Druck des Geldverdienens lässt zuvor gesetzte Werte und Prinzipien einreißen. Dies geschieht nicht, wenn Kunst frei davon ist. Es kann also durchaus Sinn machen, seine Kunst nebenberuflich auszuüben. Sobald das Einkommen anderweitig gesichert ist, kann man sich eher dem kreativen Schaffensprozess hingeben ohne mit der Brille der „Wirtschaftlichkeit“ darauf schauen zu müssen.

Ein Bekannter bezeichnet es z.B. gerne als Privileg, nicht von seiner Fotografie leben zu müssen. Ich habe Freunde, die sich regelrecht weigern ein Preisschild an ihre Kunst zu hängen. Sie wollen ihre Kunst nicht im Kontext des Marktes und der Wirtschaft positionieren. Sie machen Kunst aus Leidenschaft und verkaufen sie nicht. Das ist legitim und eine Entscheidung. Genauso legitim ist es auch entgegen aller Zweifel und gut gemeinten Ratschläge dennoch alles auf eine Karte zu setzen und sein Glück in der Kunst zu versuchen! Als Leser:in meines Blogs zählst du aber wahrscheinlich eher zu den Künstlern, die mit dem Verkauf ihrer Kunst per sé kein Problem haben, sondern sich mehr für das „wie“ interessieren.

Wie kann man also in der heutigen Zeit überhaupt von Kunst leben?

Wie in allen Bereichen, gibt es auch im Kunstsektor die volle Bandbreite: vom „armen Schlucker“ bis zum reichen Promi-Star ist alles vorhanden. Wenn es also per sé keine Möglichkeiten mehr gäbe sich mit Kunst etwas aufzubauen, was sich auch finanziell lohnt, dann würde es nicht immer wieder auch positive Ausreißer geben. Und ja, nun wirst du einwenden wollen, dass die reichen Promi-Künstler womöglich seit Jahrzehnten im Geschäft sind und es damals einfach eine andere Zeit war.

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit und trifft auf einige, alte Eisen sich zu. Aber ich würde mich gar nicht unbedingt an den Popmusikern oder Berühmtheiten orientieren, welche im Radio hoch- und runtergespielt werden. Interessant wird es, wenn man zum Einen in Nischen schaut und andererseits die Sozialen Medien betrachtet. Das Internet bietet uns Künstlern Möglichkeiten, die in der Form so noch nie dagewesen sind. Von TikTok kann man halten was man möchte – und ich bin definitiv kein Fan von dessen Unternehmenspolitik – dennoch setzt es z.B. für die Musikbranche neue Maßstäbe. Es gehen Songs von Musikern viral, die von ihrem Wohnzimmer aus produzieren und noch nie auf einer Bühne standen. Es gibt keine verwegenen Manager und Musikproduzenten mehr, die mit ihren Bands im Tourbus durch die Lande ziehen und sich für den Verkauf von Platten ein Bein ausreißen. Veranstalter orientieren sich immer mehr an trendigen Online-Stars. Begehrt ist, was in der breiten Masse gut ankommt. Wie viele Likes und Follower du als Künstler hast, kann darüber entscheiden ob du für einen Veranstalter interessant bist oder nicht.

Auf der anderen Seite brauchen Musiker:innen kein Label mehr, um ihre Musik einer breiten Masse von Menschen zu präsentieren. Eine stabile Internetverbindung und einige Social Media Plattformen reichen aus, um die Möglichkeit zu haben, Millionen Menschen zu erreichen. Genauso sieht es auch für Straßenkünstler, Fotokünstler o.ä. aus. Es gibt unzählige Beispiele von Künstlern, die sich mithilfe von Social Media etabliert haben und richtig erfolgreich geworden sind. Spontan fällt mir z.B. der Comiczeichner „Ruthe“ ein. Fakt ist: Das Internet hat die Art und Weise wie wir erfolgreich werden können revoluzioniert.

Wir müssen keine Voraussetzungen erfüllen, hohe Startkapitale mitbringen, Kontakte zu Entscheidungsträgern o.ä. mehr mitbringen, um uns ein lukratives Standbein aufbauen zu können. Achtung: an der Stelle sage ich nicht, dass eine Internetverbindung und ein Social Media Account allein ausreichen, damit jeder Künstler seinen Durchbruch schafft. Ich möchte die Sozialen Medien nicht als heiligen Gral darstellen. Ich sage aber, dass jeder die Möglichkeit hat sich mithilfe der Sozialen Medien etwas aufzubauen. Natürlich gehören Fertigkeiten und ein Händchen für Communitybuilding dazu, dass sich auch tatsächlich messbarer Erfolg einstellen kann. Wer sich einmal mit Youtubern oder erfolgreichen Influencern beschäftigt hat, der weiß wie viel Arbeit es ist sich solche Reichweiten zu erarbeiten.

Kommen wir aber zurück zu meiner Ausgangsfrage: Kann man noch von Kunst leben?

Ja, ich denke man kann auch heutzutage – trotz Inflation, steigenden Preisen und KI-Invasion – durchaus noch von Kunst leben. Die Frage die sich aber stellt ist, was genau bedeutet für dich persönlich „von Kunst leben“? Sind das 500, 1000 oder 5000€ im Monat, die du dir darunter vorstellst? Du siehst, die Frage ist in sich extrem schwammig und stark von individuellen Vorstellungen geprägt. Entsprechend muss ich immer schmunzeln, wenn mir Menschen diese Frage bezogen auf mich stellen. Die korrekte Antwort müsste eigentlich lauten „Nein, kann man nicht. Denn zum Leben brauche ich Sauerstoff und regelmäßig was zu essen und trinken.“ Aber ich drifte ab…

Wenn du von deiner Kunst leben möchtest oder sagen wir konkreter: wenn du mit deiner Kunst Geld verdienen möchtest, dann musst du entsprechend viel Arbeit reinstecken, unternehmerische Fertigkeiten aufbauen und bereit sein auch ein paar Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Machen wir uns nichts vor, sobald du deine Kunst monetarisieren möchtest, baust du ein Geschäftsmodell aus. Du bist dann nicht nur Künstler:in, sondern auch Unternehmer:in. Eine realistische Einschätzung und ein genauer Kostenplan sind wichtige Grundvoraussetzungen für ein schlüssiges, erfolgsversprechendes Konzept. Wichtig ist auch den Markt im Auge zu behalten und bei deinen Überlegungen einzukalkulieren. Denn auch wenn ich kein Fan von „der Markt regelt das“ bin, so ist es leider so, dass Menschen sich an den Preisen des Marktes orientieren. Als selbstständiger Künstler bist du leider dem Konkurrenz- und Preiskampf im Dienstleistungssektor genauso ausgeliefert wie jeder andere Geschäftsmensch auch. Deine potentiellen Kunden schauen nicht nur bei dir, sondern auch bei deinen Kollegen, entsprechend skeptisch werden sie wenn Preise stark voneinander abweichen. Erschwerend hinzu kommt, dass viele Menschen nicht zwischen Künstlern & Dienstleistern unterscheiden. So traurig es auch ist, wenn deine künstlerische Leistung als Ware/Dienstleistung betrachtet wird, dann wirst du austauschbar. Und wie in allen Branchen gilt: es gibt immer Jemanden, der günstiger ist als du.

Das bedeutet natürlich nicht, dass dies immer so sein muss. Je länger du eine Sache machst und je besser du bist, desto mehr kannst du dich natürlich von der Konkurrenz abheben und deine eigenen Maßstäbe ansetzen. Das Schöne ist, dass du als nicht abhängig von bestimmten Zertifikaten/ Nachweisen o.ä. bist. Du musst in dem Sinne keine künstlerische Ausbildung durchlaufen, um erfolgreich zu werden. Wenn du Menschen mit deiner Kunst berührst, dann fragt niemand nach deinem Werdegang. Es liegt also in deiner Hand, wie viel du potentiell erreichen kannst.

Fazit

Von Kunst zu leben ist möglich. Es gibt aber kein Schema, welches für jeden gleichermaßen gilt. Von arm bis reich ist alles möglich. Viele Faktoren kannst du durch Fleiß, Arbeit und Beharrlichkeit beeinflussen. An manchen Dingen wirst du nichts ändern können. Du kannst nichts für die Voraussetzungen, die du mitbringst. Du kannst nichts für die Entwicklungen in deinem Umfeld (Inflationen, Krisen, Marktverdrängung durch KI etc.). Das Leben läuft nicht fair ab. Je nach Kunstbereich gelten unterschiedliche Regeln. Wenn du einen dreifachen Salto rückwärts kannst, während du dabei auf der E-Gitarre schrummelst und zeitgleich mit der anderen Hand jonglierst, dann bist du wahrscheinlich der oder die Einzige weltweit. Dementsprechend gibt es keine Konkurrenz und deine Chancen auf hohe Gagen sind gut. Wenn du hingegen ein Musiker von vielen bist, dann wirst du es schwerer haben. Wenn du als Illustrator:in von deinen gemalten Bildern lebst, dann besteht vielleicht ebenfalls Grund zur Sorge, weil KI Kunst als Alternative immer beliebter wird – und kostengünstiger ist.

Du siehst, die Thematik ist komplex. Aber ich kann dir den grundsätzlichen Zweifel nehmen, dass sich mit Kunst auch 2023 noch Geld verdienen lässt. Die Frage ist aber immer, wie, was und in welcher Intensität. Letztlich ist es auch immer subjektiv, was Erfolg individuell bedeutet. Wenn ich Erfolg nur an den Finanzen bemesse, dann werde ich auf lange Sicht in keinem Bereich meine Freude haben. Daher rate ich dazu den Fokus nicht zu verlieren und grundsätzliche Fragen zu stellen, wie z.B. „Macht es mich glücklich, wenn ich Kunst mache?“, „Was bedeutet mir die Kunst persönlich?“, „Kann ich ein Leben führen, ohne Kunst zu machen?“. Kunst ist schließlich Herzenssache und sollte nicht nur als Geschäft betrachtet werden.

Ich hoffe, dass ich dir mit meinem Artikel weiterhelfen konnte. Wenn du noch Fragen dazu hast oder dich gerne austauschen möchtest, dann sende mir gern eine Nachricht. Ansonsten freue ich mich natürlich gern über deine Unterstützung, z.B. auf Ko-Fi.

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