„Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ ? – Denkste!
In der Theorie heißt es zwar immer noch, dass die Kunstfreiheit unbeschränkt sei und in der Praxis nicht von anderen Gesetzen begrenzt werden dürfe. Außer: durch gleichrangige Normen der Verfassung, wie etwa die Grundrechte Dritter. Na Mensch, Sch*** war’s. Denn heute fühlt sich doch fast jeder gleich in seinen Grundrechten beschnitten, wenn du auch nur wagst den Mund zu öffnen.
Aber ich will gar nicht auf Cancel Culture oder eine überempfindliche Woke-Bubble hinaus. Viel interessanter finde ich die grundsätzliche Beurteilung und Bewertung von Kunst & Künstlern.
Freie Kunst ist dadurch geprägt, dass sie keinen Gebrauchszweck hat, sie dient allein ästhetischen Zwecken. Das gilt selbst dann, wenn sie ohne „künstlerischen Belang“ sein sollte. Die Kunstfreiheit ist ein Grundrecht, das dem Schutz künstlerischer Ausdrucksformen dient. Schön und gut, aber wenn die Kunst doch frei von Normen und Grenzen ist, wieso gibt es dann Kunstkritiker, Wettbewerbe an denen Künstler gegeneinander antreten oder gar Bewerbungsmodalitäten für diverse Veranstaltungen wie z.B. Festivals?
Wieso wird auf der einen Seite eine freie Kunstszene beklatscht und auf der anderen Seite ein unerfahrener Künstler ausgebuht, weil seine Leistung nicht gefällt? Warum mutiert jeder im Publikum sitzende Mensch zum Kunstkenner und verteilt ungefragtes Feedback nach einer Darbietung? Die eigenen Befindlichkeiten müssen nicht immer kommuniziert werden.
Warum distanziert sich die Hochkultur selbst von der freien Kunstszene und umgekehrt, wenn doch beide dem gleichen Kunstmarkt angehören, oder etwa nicht? Sollte nicht jedes Kunstwerk und jede künstlerische Schöpfung und Darbietung frei von Urteil sein und ihre Berechtigung – im Sinne der Kunstfreiheit – haben? Woher kommt dieses fortwährende Beurteilen wollen anderer? Fragen über Fragen. Und ja, auch ein bisschen Jammern auf hohem Niveau.
Denn welch großes Privileg haben wir hier in Deutschland noch, dass wir Künstler uns trotz aller Kritik fast uneingeschränkt künstlerisch austoben können, ohne größere Konsequenzen fürchten zu müssen. Schauen wir nur einmal in unsere Nachbarländer, so zeigt sich ein anderes Bild. Künstler werden unterdrückt, verfolgt und mundtot gemacht. Es wird den Menschen jegliche Möglichkeit genommen, Kritik zu üben und den Status Quo anzuzweifeln. Diese Negativbeispiele sollten uns ein Mahnmal sein!
Selbst wenn bei dem nächsten Museumsbesuch ein Papierschnipsel mitten im Raum liegt und du dich fragst „ist das Kunst oder Müll?“, dann behalt es einfach für dich und denke daran, das ist gut so. Denn wenn wir uns diese absurden Fragen nicht mehr stellen dürfen, dann stimmt irgendetwas in unserer Gesellschaft nicht.
Danke für’s Lesen! Das ist meine neue Kolumne und Rant-Ecke: Anfälle³. Hier lasse ich meinem Unmut über gesellschaftlichen Irrsinn freien Lauf. Stets mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen.