Auch extrovertierte Hunde werden ruhiger

Jetzt fragst du dich sicher: ohaaa – wie, wie, WIEEEEEE können extrovertierte Hunde schnellstmöglich ruhiggestellt werden?!

Dieser Artikel knüpft an meinen Artikel „Herausforderung: extrovertierter Hund“ vom 28.07.20 an und soll euch als Zwischenstand dienen, da ich schon viele Zuschriften à la „Ich hab auch so eine Rakete Zuhause – können wir uns mal austauschen?“ erhalten habe. 😉 An der Stelle noch einmal der Hinweis: ich bin keine Hundetrainerin. Ich verdiene mein Geld mit der Beratung von Zweibeinern. Der Einblick in das Leben mit meinem eigenen Hibbelhund verbuche ich gerne unter „Persönlichkeitsentfaltung“ mit Hund.

Zurück zu meiner Fellnase. – Was ist also mit Samba, meiner Rakete, seit Sommer 2020 passiert?

Zunächst einmal die gute Nachricht: sie ist eine ganze Ecke ruhiger als damals und ich habe sie um Welten besser im Griff. Nun zur ernüchternden Nachricht: aus ihr ist kein Buddha geworden, es ist und bleibt ein harter Weg und ich bin verdammt oft an meine persönlichen Grenzen gegangen – denn der Schlüssel zu ihrem ruhigeren Verhalten liegt natürlich in mir und meinem Umgang mit ihr, aber alles der Reihe nach.

It’s all about… personality! 

Vieles was uns an unseren Vierbeinern stört, ist oftmals an unsere eigenen Erwartungen geknüpft. Wir haben alle diese Illusion vom treuen Begleiter, der uns überall hin folgt und aufs Wort gehorcht bzw. sich perfekt in unseren Lebensalltag integrieren lässt. Die Wahrheit sieht aber meist leider anders aus. Wir können uns tagelang darüber ärgern und den Tag verdammen, an dem das „Vieh“ seine Pfote in unsere Wohnung gesetzt hat, oder aber wir kommen drüber weg und schauen den Tatsachen ins Auge und üben uns in Akzeptanz. 😉

Akzeptanz

Ich bin kein großer Freund des Wortes „Mindset“ (zu dt. „Einstellung“), aber an dieser Stelle ist es einfach passend. Wenn du langfristig mit deinem Hund klarkommen möchtest, dann akzeptiere ihn – so wie er ist. Ja, auch wenn er die Nervensäge auf vier Pfoten ist, die verkacktesten Verhaltensweisen überhaupt hat, Chaos sein zweiter Vorname ist und du ihn am liebsten erh*** willst (lassen wir das!) – akzeptiere das! Sobald du das tust, kannst du dich nämlich auf ihn einlassen. Wir verbringen gerade am Anfang zu viel Zeit damit an dem Tier „herum zu erziehen“, weil wir das was uns nicht passt, weghaben wollen. Naja, aber das funktioniert halt nicht, wenn der Hund seinen eigenen Charakter hat. Ich habe selbst lange gebraucht zu akzeptieren, dass Samba eben nicht „Little Buddha“ ist, welche ich überall mit hinnehmen kann – sie ist eher die Sorte Hund, bei der man 1x mehr als weniger hinschauen muss und die immer viel Aufmerksamkeit erregt. Wenn ich einen ruhigen Tag mit Freunden verbringen will, dann lasse ich sie lieber Zuhause. Das erspart uns Allen unnötigen Stress.

Konzentriere dich auf dich selbst

Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, bevor dein Hundemonster eingezogen ist? Da gab es nur euch Zweibeiner und eure Bedürfnisse – damals gab es keine tierische Verpflichtung, man hat einfach sein Ding gemacht, ist ausgegangen wann man wollte, ist heimgekommen wann man wollte, war einfach unabhängig und hat sich gern mal was gegönnt. Hand aufs Herz: Ist das noch so? Oder sieht es jetzt eher so aus, dass der Hund immer an erster Stelle kommt, der erste Gedanke am Morgen und der letzte am Abend ist? Klar, ist ja irgendwie ein „Kind“ mit Fell, was sein Fressi, Gassi, etc.pp. benötigt. – Und das merkt der Hund auch! Er merkt, dass sich im Alltag alles nur um ihn dreht. Er ist rund um die Uhr präsent und die Priorität Nr. 1 – und das ist ein Problem. Denn auf Dauer kann das keiner ertragen. Weder dein Hund, der sowieso schon ein Aufmerksamkeitsjunkie ist, noch du. Denn du brauchst auch mal deine Auszeiten, in denen es nicht um den Hund geht, in denen du auftanken kannst und frisch starten kannst. Also, versuche an den Punkt zurückzukommen, bevor dein Hund zu deiner Hauptbeschäftigung wurde. Lass‘ ihn häufiger links liegen, mach‘ mal Dinge für dich, geh‘ mal allein eine Runde – dein Hund muss das aushalten können. Und dann ist die Freude auf beiden Seiten groß, wenn man wieder „zusammenkommt“.

Der Hund ist nicht das Problem, sondern deine Reaktion darauf

Ja, ich weiß, Hunde können Monster sein. Samba ist ein Monster. Aber das weiß sie nicht, bzw. sie kann nichts für ihr Verhalten und schon gar nichts dafür, dass sie mich damit triggert. Wir erinnern uns: Akzeptanz. Sie ist einfach so. Haken dran. DAS kann ich nicht ändern, aber ich kann mein Verhalten ändern. Konkret heißt das: ich lasse mich von ihr nicht mehr anknipsen. Wenn sie ihre Hummeln im Hintern hat, dann lasse ich die da – denn ein Hibbel reicht vollkommen aus. Das war der schwerste Prozess von allen, denn ich bin selbst auch kein Buddha – ich bin sogar sehr temperamentvoll, energetisch und lebendig. Zu Beginn dachte ich „herrjeh, jetzt muss ich mich ja immer zurücknehmen und ruhiger werden“ – Nein, der Trick liegt nicht darin sich zurückzunehmen oder sich zu verstellen, der Trick liegt einfach daran bei sich und seiner eigenen Energie zu bleiben. Ich hoffe das klingt jetzt nicht zu esoterisch. Ich formuliere es mal anders: Wenn du einem aggressiven Mensch begegnest, der dich provoziert, dann kannst du entweder darauf einsteigen (nicht gut!) oder aber gelassen bleiben und dich nicht provozieren lassen (sehr gut!) – für den Umgang mit Hunden ist das essentiell, denn sie sind Energieschwämme und lassen sich gern anstecken. Wenn ich also ruhig und bei mir bleibe, dann kann der Hund mit seiner Energie klarkommen und es kommt nichts von mir „dazu“, außer vielleicht ein paar ruhige Vibes. 😉 Rege ich mich auf? Nein. Stresst mich das? Nein, nicht mehr. Kommt der Hund schneller zur Ruhe? Ja, meistens. Und wenn nicht, who cares? Einfach drüber hinwegsehen und weiter geht’s.

Die richtigen Grenzen setzen

Eine klare Kommunikation ist das A und O, wenn du Frieden zwischen dir und deinem Hundemonster herstellen willst. Das heißt, er muss genau wissen was er darf und was er nicht darf. Was gut ist und was nicht so gut ist. Ja, dazu gehört auch, dass er versteht, dass draußen keine fette Party steigt, sondern dass ihr gesittet (!) eine Runde um den Block lauft oder er dich auf deinen Spaziergängen begleiten darf (du gehst mit deinem Hund spazieren, nicht umgekehrt!). Je besser dein Hund deine Grenzen zuhause akzeptiert, desto leichter wird es sein ihn auch draußen gut zu führen. Dazu gehört Konsequenz. Wenn du eine Regel einmal etablierst, dann solltest du sie nicht brechen. Ich möchte, dass Samba NIE an der Leine zieht. Ich möchte, dass sie IMMER neben mir läuft und das in einem Radius, den ich bestimme – entfernen darf sie sich erst, wenn ich ihr die Freigabe gebe. Grundsätzlich läuft bei uns ohne Freigabe Nichts. Sitz, Platz, Bleib muss zwingend wieder aufgehoben werden, der Hund entscheidet das nicht von allein. Bei solchen „High Energy Raketen“ ist es oftmals so, dass sie ihren eigenen Kopf haben und ihre eigenen Entscheidungen treffen möchten – in einem gewissen Rahmen kann man das zulassen, aber meist ist es besser, wenn man ihnen die eigenen Entscheidungen abnimmt und ihnen bessere Vorschläge macht. Samba z.B. möchte immer sofort hinter einem fliegenden Spielzeug herjagen, wenn ich es werfe – ich lasse sie aber vorher einmal um mich herum laufen und dann kann sie es holen (dabei abzusitzen wäre für sie eine Folter, deshalb darf sie sich bewegen). Man sollte immer das für sich und den Hund Passende umsetzen, dabei kann man ruhig kreativ sein. Es gibt die „richtige Methode“ nicht. Was bei mir klappt, muss bei dir nicht automatisch auch klappen.

Puh, alles schön und gut. Aber was heißt das nun konkret?

Seit Sommer 2020 haben sich hier die Dinge grundlegend geändert. Zunächst einmal ist meine Einstellung zu Samba eine ganz andere: ich akzeptiere sie mit all ihren Ecken und Kanten. Ihre Schnappschüsse kommen für mich nicht überraschend, ich schäme mich dafür in der Öffentlichkeit nicht mehr – ich gehe gelassen und souverän damit um. Im Kehrschluss sind ihre Eskapaden immer seltener geworden, sie lässt sich bei Ablenkungen viel leichter abrufen und wenn sie ausgeflippt, dann kommt sie auch schneller wieder runter. Ich gehe darauf einfach nicht mehr ein und ich denke, das ist ihr mittlerweile bewusst.

Wenn wir Gassi gehen, dann brauche ich keinen „Blockier-Stock“ mehr, ich halte die Leine zu Beginn recht kurz, damit sie nicht so weit vorpreschen kann, ich gehe auf ihr schnelles Tempo nicht ein und behalte absichtlich mein langsames Tempo bei (ich bin der Chef!) – nach ein paar Minuten wird sie entspannter und läuft brav nebenher, dann gehe ich ihr meist ein bisschen mehr Leine, aber ich achte sehr genau darauf, dass diese Leine immer durchhängt. Sobald sie sich spannt, laufe ich einen kleinen Kreis oder schneide ihr den Weg ab. Das muss ich einige Male hintereinander tun, aber dann „erinnert“ sie sich wieder was ich von ihr möchte und dann gehen wir weiter unseren Weg. Mittlerweile kann ich mich sogar unterhalten, wenn ich mit meinem Partner unterwegs bin. Wir waren im Herbst 2020 für einige Wochen mit dem Camper unterwegs. Hauptsächlich waren wir am Meer und haben uns Zeit für uns genommen. Wir waren spazieren, wandern und sehr viel in der Natur. Mein Partner ist viel mit Samba auf Felsen umhergeklettert. Ich habe das Gefühl, dass diese gemeinsamen Aktivitäten das Band zwischen uns gestärkt haben. Sie hat sich in der Zeit natürlich auch immer mal daneben benommen, aber gegen Ende klappte es immer besser. Im Oktober war sie dann das dritte Mal läufig, sie ist nun 2 Jahre alt und ich denke auch dies spielt eine Rolle. Sie ist auch von sich aus ruhiger und ausgeglichener geworden. Ich habe das Gefühl, dass sie mit Aufregung etwas besser umgehen kann und eigene Wege und Strategien gefunden hat. Fakt ist: mein Verhalten ihr gegenüber tut seinen Teil dazu bei, dass hier mehr Ruhe einkehren kann.

Ich kann euch wirklich nur ans Herz legen euch in Gelassenheit zu üben. Macht euch nicht jedes Mal verrückt, wenn der Hund seine 5 Minuten hat. Seht es als Phase, als Momentaufnahme, im nächsten Moment, beim nächsten Mal ist wieder alles anders. Bloß kein Kopfkino, immer schön „reseten“ und von vorne starten – bessere Zeiten kommen, versprochen! Euer Hund ist kein Monster, euer Hund ist einfach nur voller Emotionen, Energie und Temperament – das ist etwas Schönes! Ein toller Kontrast zu unserer durchstrukturierten Welt – lasst ihm den Raum, in dem er sich entfalten kann – lenkt es lediglich in die richtigen Bahnen, in dem ihr ihm die nötigen Grenzen setzt.

Last, but not least: Ich hab das mit viel Geduld, Blut und Spucke alles selbst gebuckelt, irgendwie wollte ich es uns allen (und vor allem mir!) beweisen 😏, dennoch halte ich es nicht für unklug, sich an der ein oder anderen Stelle externe Hilfe durch einen guten Hunde-Trainer zu holen. Allerdings auch wirklich nur in dem Fall, dass der Hund zu starke Probleme macht. In den meisten Fällen denke ich liegt der Fehler aber eher am anderen Ende der Leine: nämlich bei uns selbst. Ein Hund ist der perfekte Katalysator für Persönlichkeitsentwicklung und deckt unsere tiefsten Baustellen auf. Wo Probleme mit unseren Hunden sind, da sind oft persönliche Konflikte, Selbstzweifel, Ängste & Co nicht weit. Einem Hund machst du nichts vor. Ein motivierendes Gespräch kann manchmal schon Wunder wirken, um aus gewohnten Mustern zu kommen. – Wenn ihr partout nicht weiterkommt, dann denkt gern einmal über den Schritt nach, den Fokus mal wieder auf euch selbst zu lenken.

Ich wünsche euch als Hund-Mensch-Team alles Gute!

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